Modernes Theater – Sechste Szene – Eine Schulklasse

Modernes Theater – Sechste Szene – Eine Schulklasse

Modernes Theater – Sechste Szene – Eine Schulklasse

Kinder/Jugendliche von ca. 14 – 16 Jahren. Frau Müller, die Lehrerin. Es ist Sozialkunde oder Gemeinschaftskundeunterricht, wie es in manchen Bundesländern heißt.

Frau Müller 

„Guten Morgen. Wie Ihr wisst, haben wir heute Sozialkunde. Demnächst gibt es eine Klassenarbeit. Hoffentlich habt Ihr in letzter Zeit gut aufgepasst. Ich kann, beziehungsweise darf Euch leider keinen Hinweis geben, was drankommen wird, obwohl ich es Euch zuliebe sehr gerne täte.“

Schülerin Pamela 

„Ach bitte, Frau Müller. Einen klitzekleinen Hinweis können Sie uns bestimmt geben. Wir verraten Sie auch nicht.“

Frau Müller 

„Nein, ich darf nicht. Es geht nicht. Aus. Aber wer heute gut aufpasst, wird profitieren.“

Schüler Thomas 

„Na also, Frau Müller. Das ist doch schonmal gut.“

Frau Müller 

„Thomas, das will ich nicht gehört haben. Ich will heute mit Euch einige Themen kurz streifen, aber nicht vertiefen. Dafür reicht die Zeit nicht. Erstes Thema: Die Demokratie. Wir alle leben in einem demokratischen Land, wie Ihr wisst. Was bedeutet Demokratie, ganz kurz, ohne langes Geschwafel.

Schüler Peter 

„Demokratie kommt aus dem Griechischen. Es bedeutet, dass das Volk regiert.“

Frau Müller 

„Genauso ist es. Kann das jemand noch etwas präzisieren?“

Schüler Klaus 

„Mein Vater sagt immer, das Volk hätte nie regiert. Regiert hätten schon seit immer nur diejenigen, die die Macht und das Geld hatten.“

Frau Müller 

„Lieber Klaus, jetzt siehst du mich einigermaßen entsetzt. In der Demokratie hat doch gerade das Volk die Macht. Die gesamte Staatsgewalt ist auf die Souveränität der Bevölkerung zurückzuführen. Wir reden dabei von der ‚Volkssouveränität‘. Dadurch sind alle Organe und Entscheidungen legitimiert. Direkt oder indirekt. Also: Die Regierung regiert, weil das Volk sie gewählt hat. Und die gesamte Macht hat das Volk dem Staat übergeben. Der Staat hat also das Gewaltmonopol. Hast du das verstanden?“

Schüler Klaus 

„Ja, Frau Müller. Also dadurch, dass die Erwachsenen alle vier Jahre Parteien für den Bundestag wählen, haben wir Demokratie. Und haben dabei alle Rechte an den Staat und die Regierung abgetreten.“

Frau Müller

„Hat dir das auch dein Vater gesagt? Erinnerst du dich noch an die Gewaltenteilung? Darüber haben wir mal gesprochen?“

Schüler Klaus 

„Hm…hm. Das war doch das von Arm und Reich…“

Frau Müller 

„Gut, dass du wenigstens das behalten hast: ‚Ob Mann, ob Frau, ob arm, ob reich, vor dem Gesetz sind alle gleich‘. Das meintest du doch, nicht wahr?“

Schüler Klaus 

„Aber mein Vater sagt immer, nur die Reichen bekommen Recht. Und…“

Frau Müller 

„Schluss, jetzt ist es genug. Ich will nichts mehr von dir und den Sprüchen deines Vaters hören. Dass der sich nicht schämt! Wer weiß, was die Gewaltenteilung bedeutet? „

Schüler Peter 

„Legislative, Exekutive, Judikative. Die gesetzgebende, die ausführende und die rechtsprechende Gewalt.“

Frau Müller 

„Genau. Wenigstens einer, der aufgepasst hat. Und diese drei Gewalten sind völlig unabhängig voneinander. Das ist ein Grundprinzip der Demokratie.“

Schülerin Pamela 

„Aber was ist mit den Medien, Fernsehen, Zeitungen? Mit Facebook, Instagram, Twitter? Zu welcher Gewalt gehören die?“

Frau Müller 

„Das ist noch nicht unser Stoff. Das wird auch in der Klassenarbeit nicht kommen. Wir reden bei den Medien von der sogenannten ‚Vierten Gewalt‘. Die Medien sind frei und sollen die Regierung gewissermaßen kontrollieren. Aber natürlich verantwortungsvoll.“

Schülerin Pamela 

„Was heißt verantwortungsvoll, Frau Müller?“

Frau Müller 

„Nicht hetzerisch. Also nicht wie die BILD-Zeitung, zum Beispiel.“

Schüler Peter 

„Und warum wird diese Zeitung nicht verboten?“

Frau Müller 

„Ihr müsst sie ja nicht lesen! Lest lieber die ZEIT, oder eine andere richtige Zeitung. Oder schaut ein gutes Fernsehprogramm an.“

Schülerin Pamela 

„Aber Facebook, Twitter, Instagram, Telegram sind gut, oder?“

Frau Müller 

„Ach, Pamela, das geht jetzt wirklich zu weit. Wir sprechen heute auch von der ‚Fünften Gewalt‘ und meinen damit die Sozialen Medien. Es stellt sich inzwischen die Frage, ob diese zu viel Macht haben…“

Schülerin Pamela 

„Aber die können sie doch nicht wirklich verbieten. Das schauen doch alle. Das wäre nicht demokratisch, denke ich…“

Frau Müller 

„Was demokratisch ist, habt Ihr bei mir gelernt. Ende, aus. Konzentriert Euch auf die nächste Klassenarbeit. Das Weitere werdet Ihr im nächsten Schuljahr lernen. Dann habt Ihr zum Glück Herrn Henkel als Sozialkundelehrer. Den könnt Ihr dann weiter nerven.“

Die Glocke läutet. Ende der Stunde.

#schule #demokratie #theater #modernestheater #schulunterricht

Modernes Theater – Fünfte Szene – In einem Ministerium

Modernes Theater – Fünfte Szene – In einem Ministerium

Ministerialdirigent Dr. Weber, Referatsleiterin Frömel, Referent Kühn, Hilfsreferent Scholz, Aktenbote, Minister

Ministerialdirigent 

„Frau Frömel, meine Herren, ich habe Sie an diesem Montagmorgen schon zu Dienstbeginn zur Besprechung eingeladen. Wie Sie wissen, haben wir seit letzter Woche eine neue Landesregierung. Jetzt werden die Karten neu gemischt. Wir alle sind Beamte und…Entschuldigung Frau Frömel, …und Beamtinnen, nein natürlich nicht ‚und‘, sondern Beamte ODER Beamtinnen, ach, ich komme ganz durcheinander…“

Frau Frömel 

„Ist schon gut, Herr Dr. Weber. Belassen Sie es ruhig bei der männlichen Form. Ich habe kein Problem damit.“

Ministerialdirigent 

„Danke, Frau Frömel. Das macht es mir leichter. Als Beamte haben wir alle einen Diensteid geschworen. Sie wissen, was das bedeutet. Gewissenhaft sollen wir unsere Amtspflichten erfüllen. Das haben wir immer getan und werden wir auch weiterhin tun. 

Natürlich haben wir auch als Beamte eine politische Meinung. Viele gehören auch zu einer Partei, obwohl wir, wie Sie wissen, uns bei politischer Betätigung zurückhalten müssen. Wir können unsere politische Überzeugung äußern, aber nur außerhalb des Dienstes. Im Dienst sind wir zur Neutralität verpflichtet. 

Warum ich das alles sage? Alle pfeifen es von den Dächern: Unser neuer Minister gehört einer anderen Partei an als ich. Ich weiß also nicht, wie es in unserer Abteilung weiter gehen wird.“

Referent Kühn 

„Heißt das, Sie werden unsere Abteilung, in der sie neun Jahre gedient haben, verlassen?“

Hilfsreferent Scholz 

„11 Jahre. Es waren 11…“

Frau Frömel 

„Herr Scholz, Sie sind nicht an der Reihe. Es ist nicht Ihre Aufgabe, Herrn Kühn zu korrigieren.“ 

Ministerialdirigent 

Lacht. „Lassen Sie es gut sein, Frau Frömel. Ganz so unrecht haben beide Herren nicht. Ich war, das heißt, ich bin neun Jahre lang Ihr Abteilungsleiter, aber davor habe ich schon zwei Jahre den seinerzeit schwer erkrankten Herrn Altmeier, Gott hab ihn selig, als Abteilungsleiter vertreten. Macht insgesamt 11 Jahre. Da hat Herr Scholz schon Recht. 

Also, was ich sagen wollte. Ich war, das heißt, bin ja Vorsitzender in der Kommission zur Verwaltungsreform. Und unser neuer Minister war immer entschieden gegen unsere Kommissionsvorschläge. Daher könnte es sein, dass…“

Es klopft an der Tür.

„Herein. Es ist fürchterlich, dass sich gerade heute meine langjährige Vorzimmerdame Frau Wagner, krank gemeldet hat. Frau Halm, die sie vertreten soll, soll eigentlich schon da sein. Ist sie aber offenbar noch nicht. Es ist unerträglich. Diese Unordnung. Alles ist aus den Fugen geraten.“

Die Tür geht auf.

Amtsbote 

„Bitte um Entschuldigung, Herr Dr. Weber. Hier ist ein sehr dringendes Schreiben vom Ministerbüro. Ich habe Weisung, es Ihnen sofort auszuhändigen.“ Macht einen tiefen Bückling und händigt das Schreiben aus.

Ministerialdirigent

„Danke. Geben Sie schon her. Er nimmt das Schreiben und faltet es auf. Seine Gesichtszüge entgleisen. Solch eine Unversch…Was machen Sie noch hier? Danke, Sie können gehen.

Der Amtsbote geht rückwärts zur Tür und verlässt das Zimmer.

Frau Frömel, meine Herren, ich bin soeben darüber unterrichtet worden, dass ich ab sofort nicht mehr Ihr Abteilungsleiter bin. Die offiziellen Formalitäten kämen später. Also, was mache ich hier eigentlich noch?“

Es klopft erneut, und die Tür geht auf.

Ministerialdirigent 

Schreit, als die Tür langsam aufgeht: „Nicht schon wieder. Was soll denn dieser Terror…“

Minister 

„Aber, aber, mein lieber Herr Dr. Weber. Sie müssen nicht so nervös sein. Die Welt geht doch nicht unter. Ich wollte es nicht versäumen, Ihnen gleich heute früh persönlich meine Aufwartung zu machen. Es warten herausfordernde Aufgaben auf Sie!

 Er schaut die anderen Personen im Zimmer an.

Ich bin froh, Frau Frömel, dass sie in die Fußstapfen von Herrn Dr. Weber treten werden. Hoffentlich sind sie nicht zu groß für Sie! 

Er lacht. 

Grüße Sie auch, Herr Kühn. Sie werden – vielleicht – na, wir werden sehen. Und Sie, Herr…“

Hilfsreferent Scholz 

„Scholz, Herr Minister.“

Minister 

„Ach ja, der Herr Scholz. Für Sie wird sich schon etwas finden, nicht wahr, Frau Frömel?“

Frau Frömel 

Zerknirscht: „Selbstverständlich, Herr Minister.“

Ministerialdirigent 

Schüttelt die ganze Zeit den Kopf und weiß nicht, was er mit den Händen tun soll. 

„Herr Minister, das war mir schon klar, aber dass es jetzt, in dieser Form, ich weiß nicht…“ 

Er schüttelt weiterhin den Kopf.

Minister 

Klopft dem Ministerialdirigenten auf die Schulter. 

„Wird schon werden. Wir sehen uns. Ich muss weiter.“

 Er verlässt das Zimmer.

Frau Frömel 

„Herr Dr. Weber, bitte entschuldigen Sie. Ich durfte es Ihnen ja bisher nicht sagen…“

Ministerialdirigent 

Schreit: „Raus. Raus. Alle Raus. Verschwinden Sie sofort. Die Besprechung ist beendet!“

Alle gehen, und der Ministerialdirigent stützt sich schwer atmend auf seinen Schreibtisch.

#theater #modernestheater #gesellschaft #ministerium

Modernes Theater – Vierte Szene – Das Altersheim

Modernes Theater - Autor Berndt Baumgart . Das Altersheim
Modernes Theater von Berndt Baumgart

Modernes Theater – Vierte Szene – Das Altersheim

Herr Rund, Herr Glückauf, Frau Lindner, Frau Höcker, Frau Brösel, Pflegerin (Monika), Pfleger (Frank)

Pflegerin 

„Guten Morgen. Wunderschönes Wetter heute. Wir wollen jetzt alle gemeinsam frühstücken.“

Frau Lindner 

„Ich will jetzt nach Hause. Wo sind meine Koffer?“

Pflegerin 

„Wir sind doch hier zu Hause. Jetzt gibt es Frühstück. Sehen Sie, Frau Lindner, hier ist Kaffee. Und dazu eine Scheibe Toastbrot.“

Frau Lindner 

„Hier sind wir zu Hause? Wo ist Alfred? Ist er in der Küche?“

Pflegerin 

„Alfred ist doch schon im Himmel. Kommen Sie, Frau Lindner. Jetzt erstmal was essen.“

Frau Lindner 

„Ist das wieder echter Bohnenkaffee oder Muckefuck?“

Pflegerin 

„Echter deutscher Filterkaffee. Einfach probieren.“

Herr Rund 

„Bald kommen die Russen. Mein Vater hat das früher schon gesagt. Im Fernsehen habe ich es gesehen. Die Russen greifen an. Wir müssen bald fliehen.“

Pfleger 

„Im Fernsehen zeigen sie doch nur Bilder von der Ukraine. Die Russen haben die Ukraine überfallen. Aber die kommen nicht zu uns. Wir haben ja die Nato.“ 

Herr Glückauf 

„Das meinen Sie, junger Mann. Wenn der Iwan angreift, steht er in wenigen Stunden am Rhein. Wir haben kein richtiges Militär mehr.“

Pfleger 

„Und trotzdem haben wir doch die Nato. Die Russen kämen ja nicht einmal durch Polen; sofort würden sie von Nato-Truppen aufgehalten.“

Frau Höcker 

„Die Pollacken haben unser Land geklaut. Die sind immer nur am Klauen. Unsere Autos, unsere Häuser…“

Pflegerin 

Unterbricht: „Aber Frau Höcker, sie sind doch in Deutschland geboren und in Sicherheit. Die Polen sind unsere Freunde. Das sehen Sie doch im Fernsehen.“

Frau Höcker 

„Papperlapapp. Wer glaubt denn an das blöde Fernsehen? Ihr jungen Leute habt ja keine Ahnung. Mein Vater kam aus Breslau. Das ist und war Deutsch. Heute nennen es die Pollacken und die Fernsehleute ‚Wroclav‘. Solch ein hässliches Wort. Geklaut haben sie alles…“

Pflegerin 

„Kommen Sie, Frau Höcker. In Breslau leben ja gar keine Deutschen mehr. Jetzt wollen wir gemeinsam frühstücken.“

Herr Glückauf 

„Wenn Frau Höcker Recht hat, hat sie Recht. In Deutschland haben wir das Recht auf freie Meinungsäußerung. Das steht im Grundgesetz. Nur unsere Politiker halten sich nicht daran. Wer nicht die offizielle Meinung hat, wird bestraft— Oder kommt ins Altersheim, hä, hä, hä…“

Er lacht über seinen Witz. 

Pfleger 

„Ist ja gut, Herr Glückauf. Auch im Pflegeheim können Sie wählen. Ganz frei und geheim. Wir wollen jetzt frühstücken, wie Monika gesagt hat.“

Frau Brösel 

„Und unsere gute Egerländer Musik wird nicht mehr gespielt. Sie summt eine Melodie. Sind wir überhaupt noch in Deutschland? Oder in der Tschechei? Wo ist unsere Heimat?“

Pfleger 

„Das heißt doch Tschechien, Frau Brösel.“ (Frau Brösel schüttelt energisch den Kopf)

Pflegerin 

Zum Pfleger: „Komm Frank, lass es. Du weißt doch, dass das keinen Sinn hat. Wir werden jetzt mit unseren Leuten fröhlich frühstücken…Aber, Herr Rund (dieser schießt Papierkügelchen auf Frau Lindner), wir sind doch nicht im Krieg. Bitte schießen Sie nicht auf Frau Lindner!“

Herr Rund 

„Wir müssen üben, wenn der Iwan kommt. Da müssen alle helfen, Jung und Alt. Da brauchen wir einen neuen Volkssturm. Aber Ihr seid ja so verweichlicht…(Er schaut die Pflegerin und den Pfleger verächtlich an). Mit Euch kann man keinen Krieg gewinnen.“

Pfleger 

„Jetzt reicht es. Bitte hören Sie sofort auf.“

Frau Lindner 

„Ich will endlich nach Hause.“ (Summt die Egerländer Melodie von Frau Brösel.

#theater #modernestheater #altersheim #gesellschaft

Modernes Theater – Dritte Szene – Im Reisebüro

Modernes Theaterstück von Berndt Baumgart
Modernes Theater – Im Reisebüro

Modernes Theater – Dritte Szene – Im Reisebüro

Familie Schneider. Vater Peter, Mutter, Tochter Laura (16 Jahre). Beraterin (38 Jahre)

Beraterin 

„Herzlich willkommen. Endlich dürfen Sie wieder reisen.“

Vater 

„Was heißt‚ ‚dürfen‘? Wir müssen wieder reisen. Sonst sind die Damen nicht zufrieden. In der Lockdown-Zeit hatten wir endlich einmal Ruhe. Wir haben hier doch alles, was wir brauchen. Aber wem erzähle ich das? Sie verdienen ja Ihr Geld mit dem Schmarrn. Aber wir haben in der Lockdown-Zeit viel Geld gespart.“

Mutter 

„Fängst du schon wieder an? Wir haben das doch alles wochenlang durchdiskutiert. Wo ist denn das ganze gesparte Geld verblieben? Im Wirtshaus?“

Vater 

„Ist ja schon gut. Also, wo könnte es hingehen?“

Beraterin 

„Ich habe zurzeit so tolle Angebote. Für jeden Geschmack etwas. Aber bevor ich Ihnen etwas zeige, helfen Sie mir doch bitte ein wenig bei der Eingrenzung. Soll’s eher ans Meer gehen oder in die Berge? In Europa oder auf andere Kontinente?“

 Vater 

„Auf jeden Fall irgendwohin, wo es sicher ist. Wo wir zwei oder drei entspannte Wochen verbringen können, ohne, dass wir belästigt oder überfallen werden und ohne, dass wegen plötzlicher Corona-Fälle wieder alles zu Ende ist und wir in Quarantäne müssen.“

Beraterin 

„Ach, sehen Sie das alles doch nicht so schwarz, Herr Schneider. Das Schlimmste ist ja gottlob vorbei. Nun heißt es wieder‚ ‚Sommer, Sonne, Freiheit‘. Überall gibt es jetzt schöne und sichere Möglichkeiten. Wie wäre es in Hourghada? Immer Sonne, total sicher. Gutes Essen. Und absolut preiswert.“

Vater 

„Bei den Scheiß-Arabern? Da sind doch Taucher ans Land geschwommen und haben Urlauber abgestochen.“

Beraterin 

„Das ist nicht Arabien, sondern Ägypten. Und seit der General Sisi dort regiert, herrscht Zucht und Ordnung. Da ist nichts mehr passiert. Die Ägypter lieben die Deutschen. Außerdem ist es preiswert.“

Mutter 

„Ja, das wäre eine Option. Aber da gibt es doch keine Kultur. Wie ich gehört habe, sind die Leute dort in sicheren Bereichen eingesperrt, werden von Sklaven bedient und bekommen von Land und Leuten nichts mit.“

Beraterin 

„Nein, ganz und gar nicht. Es gibt Ausflüge nach Abu Simbel, zum Tal der Könige. Die ganze alte Kultur lernen Sie dort kennen, von der die Menschheit abstammt. Auch wir sind letztlich alle alte Ägypter.“ Sie lächelt. „Und das Personal ist ja so froh, wenn endlich wieder Touristen kommen. Davon leben die ganzen Familien dort.“

Vater 

„Ach so. Dann müssten wir ja eigentlich alle Schwarze sein. Das verstehe ich nicht. Aber wenn wir mit dem Urlaub ein gutes Werk tun, warum nicht?“

Tochter 

„Ich kann da nicht mehr zuhören. Die Ägypter sind keine Schwarze, sondern Nordafrikaner, mit der Witterung angepasster dunkler Hautfarbe, wie z.B. die Inder. Und der Homo Sapiens, unser Vorfahr, soll vom ostafrikanischen Graben abstammen, aber nicht von Ägypten. Neue Untersuchungen sagen sogar, von Marokko. Und die Leute, die uns dort bedienen, arbeiten für einen Hungerlohn! Und Sisi ist ein Menschenschinder, der alle einsperrt, die ihm in die Quere kommen.“

Mutter 

„Also kein Ägypten. Da werden wir uns nicht einig. Was gibt es denn sonst noch?“

Beraterin 

„Wie wäre es denn mit Antalya in der Türkei? Ganz viel alte Kultur und Geschichte.  Oder auch Thailand. Phuket, wunderschöne Gegend, da ist für jeden etwas dabei. Elefantenreiten durch den Dschungel, bestes Essen, alte Kulturen, Thailändische Mönche, immer Sonne, Strand, Meer.

Mutter 

„Klingt gut.  In Thailand waren wir noch nie. Da soll es tropisch heiß sein mit scharfem Essen. Das magst du doch, Peter? Und du, Laura, könntest auf Elefanten durch den Dschungel reiten. Du magst doch Elefanten?“

Vater 

„In Phuket gab es doch ein schweres Erdbeben mit riesigem Tsunami. Ist gar nicht lange her. Das liegt alles auf einem Feuerring, oder wie das heißt. Auch deutsche Urlauber sind dort gestorben. Sogar einer meiner Kumpels vom THW war dort. Und dann diese eklige Kinderprostitution. Wenn wir nicht aufpassen, wird Laura noch verschleppt…“

Tochter 

„Das kommt überhaupt nicht in Frage. Thailand ist eine Scheiß-Monarchie mit einem König, der seine Frauen und Geliebten missachtet und die meiste Zeit in Bayern lebt. Und Elefanten-Reiten ist etwas für Kleinkinder oder für Omas und Opas. Nicht mit mir!“

Mutter 

„Dann vielleicht dieses Antalya. Ist ja am Mittelmeer. Da sind zwar auch viele Moslems, aber ich habe mir sagen lassen, ganz viele dort sprechen deutsch, auch das Personal. Vielleicht treffen wir dort sogar Bekannte. Und preiswert ist es auch. Der Erdogan macht doch gerade die Währung kaputt.“

Vater 

„Nein, das passt mir nicht. Zu dem muslimischen Sultan, der mit den Russen befreundet, aber in der Nato ist und trotzdem die Griechen bekämpft, will ich nicht. Und wenn wir ein Steinchen als Andenken mitnehmen, kommen wir ins Gefängnis. 

Dann fahren wir wieder wie früher an den Gardasee. Italienisches Flair, beste Küche, Pizza, Pasta, Fisch, tollen Wein. Nur das Bier ist Scheiße. Aber ab und zu gibt es Paulaner oder Erdinger. Alles spricht Deutsch. Es gibt jede Menge Kunsterlebnisse, ganz viel Kultur, und Südtirol ist auch nicht weit. Da können wir den Ötzi besuchen. Vielleicht erkennt er uns noch von früher?“ Lacht behäbig. „Hätten Sie da ein geeignetes Etablissement für drei Personen? Natürlich fahren wir mit dem Auto über die Brenner-Autobahn.“

Tochter 

„Nur für zwei Personen bitte. Das ist doch absolut widerlich. Ihr seid ja solche Spießer. Ich will lieber mit Erika fahren. Die geht als Backpackerin nach Goa.“

Beraterin 

„Also einmal Gardasee für zwei Personen. Da wäre ein preiswertes Hotel in Malcesine.“ Sie mustert das Paar noch einmal prüfend. „Etwas im Hinterland, aber vom fünften Stock können Sie sogar ein Stücken vom See erkennen.“ 

Zur Tochter gewendet: „Wir haben auch günstige Backpacker-Reisen im Angebot. Zeige ich Ihnen gleich.“

Tochter 

Schreit „Neeeein…“, reißt die Tür auf und rennt weg.

Modernes Theater – Zweite Szene – Eine Zeitungsredaktion

Gesellschaftskritisches modernes Theaterstück von Berndt Baumgart Zeitungsredaktion
Modernes Theater

Modernes Theater – Zweite Szene – Eine Zeitungsredaktion

Eine Zeitungsredaktion

Chefredakteur, Journalist 1, Journalist 2, Journalist 3

Journalist 1 

„Ich will heute einen Bericht über Corona-Todesfälle in unserer Region schreiben. Habe gründlich recherchiert.  Das gibt einen Knaller!“

Chefredakteur 

„Nun mal langsam. Was soll dabei herauskommen?“

Journalist 1 

„Ich habe zweifelsfrei festgestellt, dass die durchschnittliche Sterblichkeit in unserer Region in der Corona-Zeit gesunken ist.“

Chefredakteur 

„Das ist doch nichts Besonderes. Natürlich ist die Sterblichkeit gesunken. Aber nur wegen unserer sofortigen Maßnahmen.“

Journalist 1 

„Ach so. Also werde ich die gesunkene Sterblichkeit mit den Maßnahmen unserer Regierung verknüpfen. Und dann ist es gut.“ 

Chefredakteur

„Genau. Sie begreifen schnell.“

Journalist 2 

„Entschuldigung, wenn ich mich da einmische. Aber ich habe festgestellt, dass die Sterblichkeit mit den Corona-Maßnahmen eigentlich nicht korrespondiert. Ich…“

Chefredakteur 

Unterbricht. „Hören Sie bitte sofort mit dem Querdenker-Geschwätz auf. Die ganze Rechnerei wird nicht benötigt. Wir haben eine Pandemie und leben in einer Demokratie. Ist das klar?“

Journalist 2 

„Ja, das ist klar. Aber was hat das mit den Zahlen der Statistiker und Wissenschaftler zu tun? Wir haben schließlich die gesetzlich garantierte Pressefreiheit. Und wir sollen doch als Zeitung wahrheitsgemäß berichten. Und die Wahrheit ist…“

Chefredakteur 

Unterbricht erneut mit einer ungeduldigen Handbewegung. „Was wissen Sie denn schon von der Wahrheit. Von Plato über Spinoza, Descartes bis zu Kant und Hegel wurde darüber diskutiert. Ich will hier nicht weiter ausführen, auch, wenn ich das könnte.“ Er lächelt selbstverliebt. „Von Habermas und Abendroth will ich an dieser Stelle nichts sagen. Eines können Sie mir glauben: Es gibt keine Wahrheit. Sie ist immer eine Definition, eine Vereinbarung.“

Journalist 2 

„Ach so. Ich bitte um Entschuldigung. Das wusste ich nicht. Und wie und von wem wird die Corona-Wahrheit definiert? Wenn ich fragen darf?“

Chefredakteur 

Herablassend. „Sie dürfen. Wissen Sie, die Wahrheit ist ein Kompromiss. Wir als Zeitung müssen Rücksicht nehmen auf die verschiedensten Interessen. Für uns ist am wichtigsten, dass wir überleben, Werbeeinnahmen bekommen und unsere Leserschaft erhalten. Das funktioniert am besten, wenn wir in Übereinstimmung mit dem Fernsehen und daher logischerweise auch mit der Regierung sind.“

Journalist 3 

„Entschuldigung, wenn auch ich da noch einmal nachfrage. Habe ich richtig verstanden? Das Fernsehen und die Regierung bestimmen die Wahrheit?“

Chefredakteur 

„Das ist sehr primitiv ausgedrückt. Eines Journalisten unwürdig. Sie sind ja noch in der Probezeit. Ob das mit Ihrem Berufswunsch etwas wird? Ich weiß nicht, ob ich das auch Leuten von bescheidenem Intellekt vermitteln kann. Der Kompromiss ist eine tägliche Herausforderung. Wir müssen wissen, was war, fühlen, was heute ist und voraussehen, was morgen sein wird. Das ist sehr schwierig. Ein täglicher Balanceakt.

Journalist 1 

„Bitte um Entschuldigung. Was mache ich denn dann mit meinem heutigen Beitrag? Ich habe ja alles recherchiert…“

Chefredakteur 

„Das hatten wir doch schon. Die staatlichen Maßnahmen sind gut und richtig. Dann passt der Beitrag.“

Journalist 1 

„Danke, das werde ich mir merken. Dann ist ja alles nicht so schwer. Was die Regierung sagt, ist richtig.“

Chefredakteur 

„Wie dumm sind Sie denn? Das Richtige, die Wahrheit, muss jeden Tag neu überprüft werden. Wenn das Fernsehen die Regierung kritisiert, weil z. B. Lobbygruppen etwas anderes wollen, dann können, müssen wir sogar die Regierung kritisieren. Dann ist Kritik wichtig. Für Ihren Bericht: Dann ist die niedrige Sterblichkeit NICHT auf die staatlichen Maßnahmen zurückzuführen. Verstehen Sie?“

Journalist 1 

„Ich versuche, zu verstehen.“

Journalist 2 

„Ach so, jetzt verstehe ich. Wahrheit ist, was wichtig ist. Jedenfalls für unsere Zeitung.“

Chefredakteur 

„Ich habe sehr einfache Mitarbeiter. Das ist wohl meine Strafe. Weiß nicht wofür. Aber Hauptsache, Ihr tut Eure Pflicht. Und im Zweifel fragt Ihr mich. Aber was geschieht, wenn ich nicht mehr da bin?“

Journalist 3 

„Dann gibt’s halt keine Wahrheit mehr. Oder?“

Modernes Theater in 7 Szenen – Szene 1

Die Demonstration

Modernes Theater – Erste Szene – Die Demonstration

Ein großer Platz mit vielen Menschen allen Alters, mehrerlei Geschlechts, unterschiedlich gekleidet. Etwa die Hälfte tragen Masken. Mitten auf dem Platz ist ein Podium mit einem Mikrofon aufgebaut. Davor hängen Plakate. 

1. Junge Frau mit Plakat

Schreit: „Impfen, impfen, impfen. Querdenker sind Nazis. Fuck Nazis.“

Ihre Begleiter (junge Männer und Frauen, aber auch einige ältere) 

„Impfen, impfen, impfen. Querdenker sind Nazis. Fuck Nazis.“

Leute gegenüber, verschiedenen Alters und Geschlechts

Eine ältere Frau 

„Ihr seid Idioten. Regierungsgläubige. Lasst Euch verarschen. Scheiß-Pharmaindustrie. Maskenfetischisten.“

Zwischen den beiden Lagern eine Reihe Polizisten

1.Polizist 

„Hoffentlich hört diese Scheiße bald auf. Ständig die blöden Einsätze. Kein Privatleben mehr. Diese Scheißdemonstrationen gehören verboten.“

2. Polizist 

Lacht unter dem Helm: „Aber Herr Kollege, wir sind schließlich Demokraten. Haben doch in der Polizeischule gelernt, dass das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit ganz wichtig ist.“

1.Polizist 

„Herr Kollege, wollen Sie mich verarschen? Gehören Sie auch zu den Führungsspitzeln, die die eigenen Kollegen denunzieren?“

2. Polizist 

„Gott bewahre. Ich habe das nur ironisch gemeint. Mir gehen die ständigen Demonstrationen doch auch auf den Geist. Da steht Meinung gegen Meinung. Alle haben gute Argumente. Und niemand kennt die Wahrheit.“

1.Polizist 

„Haben Sie denn keine Meinung? Haben Sie Virenangst? Oder gehören Sie auch zu den Scheißgrünen oder Sozis?“

2. Polizist 

„Na, na, nur nicht politisch werden.  Wir haben gelernt, dass wir unsere Pflicht erfüllen müssen. Und uns bei politischer Betätigung zurückhalten sollen. Wir müssen unter einem grünen Innenminister genauso dienen wie unter einem schwarzen.“

1. Polizist 

„Oder unter einem braunen. Stimmts?“

2. Polizist 

„Sie sind ein seltsamer Kollege. Ich glaube nicht, dass wir Freunde werden. Hauptsache, dass wir gemeinsam unsere Pflicht tun!“

1. Polizist 

Murmelt: „Ja, stimmt.“

Die 2. Junge Frau steigt auf das Podium und ergreift das Mikrofon. Auf dem gesamten Platz herrscht lautes Rufen und Schreien. Plakate werden geschwenkt.

2. Junge Frau 

Schreit in das Mikrofon: „Wir haben eine Pandemie. Ringsherum und in unseren Nachbarländern sterben Menschen. Weil sie sich nicht impfen lassen. Die Gestorbenen könnten alle noch leben. Und Ihr Idioten und Querdenker seid schuld daran! Wo ist Euer Hirn geblieben? Habt Ihr überhaupt eins? Unsere Krankenhäuser und Intensivstationen laufen bald über. Wegen Euch! Lasst Euch endlich impfen! Ihr tötet die Menschheit!“ Sie schreit immer lauter, wie in Ekstase.

Allgemeines Geschrei vieler Menschen, einige halten Plakate hoch. Das Podium wird von jungen Leuten gestürmt. Es gibt eine Rangelei. Der 2. Jungen Frau wird das Mikrofon entrissen. Ein älterer Mann, Ende 50, nimmt das Mikrofon.

Älterer Mann 

Ruft ins Mikrophon: „Wir wollen Freiheit. Wir sind erwachsene Bürger und keine Kindergartenkinder. Jeder ist für seine Gesundheit selbst verantwortlich. Die Impfung hilft manchmal, aber in jedem Fall den Pharmaunternehmen. Impfschäden werden verschwiegen. Die Medien sind gleichgeschaltet. Wir erfahren nicht die Wahrheit. Wir wollen keine Gesundheitsdiktatur.“

Die Polizei bildet eine Kette und versucht, Demonstranten und Gegendemonstranten zu trennen. Ein Polizist besteigt das Podium und nimmt dem älteren Mann das Mikrofon weg.

Älterer Mann 

Schreit: „Aha, die Staatsgewalt kommt. Wir dürfen nichts mehr sagen. Die Demokratie ist weg. Ich schäme mich, ein Deutscher in diesem verkommenen Land zu sein.“

 1. Junge Frau 

Schreit: „Dann wandere doch aus, alter Nazi. Querdenker und Coronaleugner brauchen wir hier nicht. Fuck AfD, fuck Nazis. Impfen, impfen, impfen…“ 

Allgemeines Geschrei. „Impfen, impfen, impfen. Fuck Nazis, fuck AfD.“