Klaus fragt nach:

Klaus fragt nach:

„Danke Hans, dass du uns – wenn auch nicht ganz freiwillig – dein Gesicht zeigst und deinen Namen genannt hast. Was du gesagt hast, ist aber nichts Neues. Versuchst, deine Träume zu behalten und sie zu analysieren. Das versuchen die Menschen schon seit Jahrtausenden. Ganze Bibliotheken sind mit ‚Traumdeutungsbüchern‘ gefüllt. Es gibt viele Traumdeutungslehren, und auch Traumdeuter gab und gibt es einige. Die meisten davon aber sind Spinner, wenn du mich fragst. Doch mich fragst du ja nicht.

Du glaubst, dass Gott ab und zu mit dir spricht – was viele vor dir auch schon geglaubt haben – George W. Bush ist ein lustiges Beispiel, aber auch viele Propheten des Alten Testaments glaubten das. Dann kam Jesus, später auch Mohammed und noch viele andere Visionäre und Heilige oder auch Scheinheilige. Alle glaubten, Eingebungen und Erleuchtungen von Gott zu haben. In den fernöstlichen Religionen gibt es auch etliche dieser Exemplare  zu benennen.

Und jetzt erzählst auch du uns, lieber Hans, dass Gott dann und wann zu dir spricht. Ich kann darüber nur lächeln. Eigentlich ist es ja ganz einfach: Ich schließe die Augen, bringe mich in eine entspannte Position, konzentriere mich und bete. Und dann, manchmal, höre ich eine Stimme, die zu mir spricht. Er sagt mir vielleicht, was ich tun soll, oder er offenbart mir liebenswürdigerweise ein ganz kleines Stück des ‚großen Geheimnisses‘, was er ja ansonsten eigentlich nicht tut. Wenn es dir hilft, es sei dir gegönnt. Aber wir, und dabei schaute er in die Runde der anderen, können eigentlich auf deine Visionen verzichten.

Von Träumen berichtet uns auch der große portugiesische Schriftsteller Fernando Pessoa. In zahlreichen Pseudonymen und auch Heteronymen (ähnlich wie Pseudonyme, nur bei den Heteronymen haben alle Pseudonyme eine eigene Biografie und schreiben unter ihrem Heteronym quasi selbst), beschäftigt er sich mit der Realität und den Träumen. Er stellt die Frage, ob nicht die Realität auch nur ein Traum sei. Letztlich gäbe es keine Realität, sondern nur Träume. Wir Menschen wären auch nur Traumgestalten.

Das ist indes auch nichts Einzigartiges. Schon viele hatten diese Ideen. Franz Grillparzer (‚Der Traum ein Leben‘, 1834 im Burgtheater Wien uraufgeführt), orientierte sich an dem Drama von Pedro Calderón ‚Das Leben ist ein Traum‘ aus dem Jahre 1635. Dort ging es um die Frage der Freiheit und der Verantwortung. Aber das würde in diesem Gespräch zu weit führen.

Was ich sagen möchte, geht um eine der Grundfragen auf diesem Boot: ‚Was wissen wir, was können wir wissen?‘

Pessoa orientiert sich unter anderem an Platon. Sokrates sagte ja, wie es so oft heißt: ‚Ich weiß, dass ich nichts weiß‘. Das ist ja ein Widerspruch in sich selbst. Wie kann er so etwas behaupten? Wenn er nichts weiß, kann er auch das ja nicht wissen. Also gibt es doch ein Wissen. Aber, wer sich nur ein ganz klein wenig mit Platon beschäftigt, weiß, dass dieser blöde Spruch nur auf einem Übersetzungsfehler beruht, und dass Platon niemals einen solchen paradoxen Schwachsinn erzählt hätte. Er stellte nur die Möglichkeit des menschlichen Wissens grundsätzlich in Frage. Letztlich kam er auch nicht weiter als wir alle auf diesem Boot: Am Ende herrschte auch bei Platon Ratlosigkeit.

Aber Pessoa ging noch weiter. Er ließ einen seiner Heteronyme behaupten: ‚Ich kann nicht wissen, dass ich nichts weiß.‘ Diese Lächerlichkeit nannte er dann ‚Ironie‘ und bezog sich dabei auf Sanchez. Der 1550 geborene Franciscus Sanchez war ein Skeptiker, der alles hinterfragte. Er wäre nie auf die Idee gekommen, im Aristotelischen Sinne beweisen zu können, dass er nichts weiß. Auch bei ihm herrschte am Ende – wie schon bei Platon – Ratlosigkeit. Wer will, kann das alles nachlesen. Am Ende wird er erkennen, dass auch die Philosophen und die Dichter uns nicht weiterhelfen.

Also, lieber Hans, bevor ich dich frage, was du damit meinst, dass ich ‚auf der richtigen Spur sei‘ (wenn ich dich recht verstanden habe), möchte ich dich doch dringend ersuchen, mit den Beschimpfungen anderer aufzuhören, z.B. der Julia, die wenigstens ihren evangelischen Glauben hat. Ich kann es aber verstehen, dass es dich ärgert, dass sie dir die Kapuze weggerissen hat.“