Berndt fragt nach:
„Lieber Klaus, ganz vielen Dank für Deine Worte. Sie klingen sehr aufregend. Fast schon hört es sich an wie eine ‚Lösung‘. Denn es klingt, als ob Du letztlich alle ‚Erkenntnisse‘ des aufgeklärten Menschen in Frage stellst. Du lehnst offenbar eine ‚rationale Welt‘ ab, die Du mit wenigen Worten demontierst.
Ist denn seit Aristoteles alles nicht mehr wahr? Sind die Erkenntnisse der Naturwissenschaft Unfug? Die Newtonschen Gesetze, die Relativitätstheorie, die Quantenphysik?
Verrennst Du Dich jetzt nicht ein wenig? Raus aus der Wissenschaft und hinein in einen mystischen ‚Spekulationsglauben‘?
Ist das nicht reine Esoterik? Genau das, was wir auf dieser Bootsreise eigentlich nicht haben wollen? Klaus, bei allem Respekt vor der Schärfe Deines Denkens, wir können doch nicht im Ernst Raum und Zeit ablehnen. Oder? Und die Menschen zu ‚Gehilfen‘ Gottes machen, bei dem Kampf gegen ‚das Böse‘? Ich gestehe, da komme ich nicht mehr ganz mit!“
Klaus antwortet:
„Danke für Deine Geduld, für Eure Geduld. Zugegeben, es ist sehr schwierig, das in Worte zu fassen, was mir durch den Kopf geht. Es ist so viel und auch sehr kompliziert.
Zunächst noch einmal zu Deiner Frage, ob alles seit Aristoteles nicht mehr ‚wahr‘ sei. Nein, natürlich ist es ‚wahr‘; denn die Naturwissenschaftler lügen ja nicht (jedenfalls meistens). Alle ‚aufgeklärten‘ Menschen denken, dass das, was die Wissenschaften erklären, nicht nur ‚wahr‘ sondern auch ‚richtig‘ sei.
Bitte entschuldigt meine Definitionsversuche. Über das, was ‚wahr‘ oder ‚nicht wahr‘ und was ‚richtig‘ oder ‚nicht richtig‘ ist, sind schon viele Bücher geschrieben worden. Wissenschaftler und Philosophen haben sich mit diesen Begriffen befasst. Es gibt so viele Erklärungen.
Ich sage nochmals: ‚Wahr‘ ist für mich all das, was wir als ‚wahr‘ ansehen. ‚Richtig‘ ist für mich hingegen das, was ‚ist‘, wobei es nicht darauf ankommt, ob wir das als ‚wahr‘ oder ‚unwahr‘ ansehen, ob es für uns ‚logisch‘ oder ‚unlogisch‘ ist. Ich glaube also an eine ‚Richtigkeit‘, an eine ‚Wirklichkeit‘, die unabhängig von unserem Denken und unseren Empfindungen ist. Das ist gewissermaßen die ‚absolute‘, die ‚göttliche‘ Wirklichkeit oder Richtigkeit.
Wir leben hier und jetzt. In unseren Körpern. Aber das ist nur ein von uns so empfundener Umstand. Was ‚wirklich‘ ist, können (und sollen wir wohl) nicht wissen. In Wirklichkeit (nicht: in ‚Wahrheit‘) gibt es kein ‚hier‘ und ‚jetzt‘, weil es keinen Raum und keine Zeit gibt.
Ich weiß, lieber Bootslenker Berndt, lieber Michael, lieber Carlos, liebe Julia, dass ich damit Eure Geduld sehr strapaziere, aber ich ‚weiß‘ ja nichts. Ich denke und glaube. Und ich denke, dass es vielleicht so sein könnte.
Vielleicht sind alle unsere sogenannten ‚Erkenntnisse‘, unsere Naturwissenschaften und die ihnen zugrunde liegenden ‚Gesetze der Mathematik‘ zwar ‚wahr‘, aber eben nicht unbedingt ‚richtig‘. Vielleicht erklären sie uns das ‚Diesseits‘, auch die ‚Historie‘ unseres Diesseits, aber eben niemals das ‚Ganze‘.
Ich frage mich eben, ob es vielleicht nicht noch ein ‚Anderes‘ gibt.
Und ich habe festgestellt, dass unser Denken, wenn es einmal die Fesseln von Raum und Zeit abgelegt hat, wunderbar frei wird, dass sich uns ganz neue Dimensionen erschließen.
Na klar, dieses Denken ist mystisch und beinhaltet viele Gefahren. Wie schnell kann man anfangen, zu spinnen und in die Esoterik abgleiten. Dessen bin ich mir bewusst, und darum bin ich sehr froh, dass Ihr bei mir seid.
Wenn ich also noch einmal zusammenfassen darf: Von Michaels Frageliste ausgehend, habe ich versucht, einige mögliche Antworten zu finden und bin zuletzt bei der Frage von dem ‚guten‘ oder dem ‚bösen‘ Gott angelangt. Und was unsere Aufgabe dabei ist? Gibt es eine Aufgabe für uns?
Die nächsten Frage nach Michaels Liste wären: Gibt es ‚Werte‘? Gibt es ‚Schuld‘ und ‚Sünde‘?“